Abstimmen mit 16? Sicher doch!
Wir fuhren zusammen auf der A1 von Zürich Richtung Bern: «Mama, ich brauche warme Winterkleider für die Schule. Wenn wir ständig lüften, wird es im Winter kalt im Schulzimmer. Glaubst du, dass wir die Winterjacken anbehalten dürfen, wenn wir frieren? Meinst du, wir dürfen dieses Jahr die Winterstiefel anbehalten?» – «Ja, du kriegst warme Kleider.» – «Du, Mama, warum tragen wir Kinder eigentlich keine Maske in der Schule, wenn wir im Bus eine anziehen müssen? Das ist doch unlogisch! Und unsere Lehrer haben sie ja auch an. Warum machen die das alles so kompliziert? Es wäre doch viel einfacher, wenn es heissen würde: Es müssen alle drinnen immer Maske tragen, oder? Du, Mama, warum hatte im Fressbalken niemand eine Maske an?» – «Das ist im Kanton Aargau, da gelten andere Regeln.» – «Aber das ist doch grad neben Zürich! Und da sind lauter Zürcher. Warum hat der Aargau andere Regeln?» – «Das verstehe ich auch nicht. Jeder Kanton will seine eigenen Regeln machen dürfen, und so finden wir hoffentlich heraus, was am besten funktioniert.» – «Aber Mama, das Gotti war einen Tag in Lausanne zum Arbeiten. Wenn sie sich da jetzt angesteckt hat, dann nützen uns die Regeln in Zürich nichts.» – «Gotti ist zum Glück gleich in Quarantäne gegangen.» – «Und ihre Kinder und der Matti, bleiben die jetzt auch zu Hause?» – «Nein, nein, sie gehen zur Schule und zur Arbeit.» – «Und wenn sie sich beim Gotti anstecken?» – «Sie trägt zu Hause immer eine Maske.» – «Und falls doch?» – «Dann stecken sie vielleicht andere an.» – «Sag, Mama, warum kann das Gotti nicht einfach in ein Hotel gehen und sich alles liefern lassen?» – «Das ist zu teuer.» – «Das könnte doch der Staat bezahlen!» – «Warum glaubst du, sollte der Staat das bezahlen?» – «Das kommt sicher günstiger, als wenn Matti und die Kinder noch viele Leute anstecken, die dann ins Spital müssen und nicht arbeiten können. Wie viel verdient man im Schnitt pro Tag?» – «Was ist 6900 durch 30?» – «230.» – «Also verdient man im Schnitt 230 Franken am Tag, warum?» – «Wenn das Gotti, der Matti und die Kinder zehn Leute anstecken, sind das 2300 Franken pro Tag, die sie nicht verdienen, weil sie nicht arbeiten können – das gibt ein schönes Hotelzimmer!».
Ich finde das Stimmrechtsalter 16 völlig angemessen und stelle vergnügt fest, dass meine Tochter (14) das Prinzip der Opportunitätskosten versteht.
Mein Text erschien als Kolumne in der Handelszeitung vom 24. September 2020.
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