Was ist das Gegenteil von Diversität? Wir stellen diese Frage allen, die von uns wissen wollen, weshalb Vielfalt gut fürs Geschäft sei. Als Gegenteil von Vielfalt wird Uniformität, Langeweile, Einigkeit und Monotonie genannt. In der Natur bedeutet es Monokultur und Inzucht. Die Folgen davon sind Risiken wie spezialisierte Schädlinge, Ertragsrückgänge und erhöhter Düngemittelbedarf sowie Anfälligkeit für Krankheiten – bei der Inzucht kommen die sinkende Lebenserwartung und eine Zunahme von Fehlbildungen hinzu. Die industriell optimierte Landwirtschaft verbraucht viele Ressourcen, um hohe Erträge zu erzielen. Inzucht hat in Familien anfänglich auch Vermögen zusammengehalten. Doch am Ende macht die Ausgrenzung von fremdem Erbgut schwach, kurzlebig und schwachsinnig. Das Gegenteil von Diversität ist kein nachhaltiger Zustand.
Schauen wir auf die Wirtschaft: Die durchschnittliche Lebensdauer eines Unternehmens hat sich dramatisch verkürzt: Einem typischen S&P-500-Unternehmen wurden in den 1960er Jahren gut 60 Jahre prognostiziert. Heute sind es angesichts der sich schnell verändernden Unternehmenslandschaft jedoch nur noch 18 Jahre, wie eine Harvard-Studie zeigt. Nun mag man zu Recht einwenden, heute würden sich wesentlich mehr Frauen einbringen und der Vergleich hinke deshalb. Doch darum geht es gar nicht.
Das Gegenteil von Diversität ist kein nachhaltiger Zustand.
Die Wirtschaft hat in Jahrzehnten von Optimierungsarbeit die Prozesse, Produkte und Personenprofile derart perfektioniert, dass jede Abweichung vom Ideal Störungen verursacht. Die Schablonen für gute Mitarbeitende und Entscheidungen sind eng geworden, weil man auf Nummer sicher gehen will. So haben es junge und reife Talente schwer – und auch solche, die nicht den idealtypischen Werdegang aufweisen. Es gibt Bedenken und Zweifel allem und allen gegenüber, die nicht der Norm und Erwartung entsprechen. Das führt zu Dekadenz und daran ist bekanntlich schon das alte Rom zugrunde gegangen. Als Beispiel mag eine andere Harvard-Studie dienen, die nachweist, dass Banken mit Führungsteams, die die Demografie besser widerspiegeln, erheblich weniger Bussen für Fehlverhalten zahlen müssen.
Kolumne von Esther-Mirjam de Boer in der Handelszeitung vom 20. Mai 2021.