ROLLENWECHSEL – sind Politiker die besseren Banker?
«Was würdest Du jetzt tun?» das ist derzeit die wohl am meisten diskutierte Frage. Es bringt uns nicht weiter, das Gespräch darüber im Konjunktiv von nicht realisierten Alternativen zu führen, denn wie Hans-Rudolf Merz im SRF-Club vom 21. März bereits sagte «es ist, wie es ist» – also machen wir das Beste draus. Jetzt sind eine sorgfältige und umsichtige Strategie sowie gute Kommunikation gefragt. Letzteres kann das Vertrauen in den Bankenplatz Schweiz wiederherstellen helfen oder – wenn sie schlecht gemacht wird – weiter zerstören.
Es werden seitens der Politik und der Wirtschaft Forderungen nach zusätzlicher Regulierung und Mitbestimmung laut, um die Kontrolle über den weiteren Verlauf der Entwicklungen und die Risiken zu verschärfen. Man traut den Bankmanagern offenbar nicht mehr zu, die anstehenden Herausforderungen allein zu lösen, denn diese sind wahrscheinlich nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Mit der Ankündigung der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS sind die Herausforderungen nicht nur aufgeschoben, sondern auch gewachsen. Das brauchen wir nicht schönreden – das ist so.
Sind Politiker die besseren Banker?
Wer zahlt, bestimmt – so lautet eine Faustregel. Aber glauben wir ernsthaft, dass die bekannten Namen aus Politik, Wissenschaft, Medien und Wirtschaft die besseren Banker wären als die Banker selbst? Schliesslich zählen sie zu den Besten der Welt, sagen sie über sich selbst. So auch die Spitzenkräfte aus der Nationalbank, doch auch sie haben wenig Erfahrung mit Sanierungen, Umstrukturierungen und Krisenkommunikation. Bei ihnen besteht die ebenso reale Gefahr, dass sie mit den anstehenden Aufgaben überfordert wären.
Für die folgenden Überlegungen versetzen wir uns in die Führung der UBS und versuchen aus deren Perspektive einige Handlungsfelder zu beleuchten. Wir tun dies mit unserer Stärke als Strategen, die wirkungsvolle Führungsteams zusammenstellen. Wir sind keine Banker. Unser Diskussionsbeitrag erhebt deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder darauf, eine alleinseligmachende Lösung anzubieten. Die grossen Namen in der Öffentlichkeit machen es sich nämlich etwas gar leicht, wenn sie simple Forderungen aufstellen, wie die Erhöhung des Eigenkapitals und den IPO des Schweizer Geschäftes. Wohlverstanden, das ist beides nicht falsch, aber genau so wenig ist es DIE Lösung.
Keine unüberlegten Schnellschüsse
Eine nachhaltige, belastbare Lösung wird Schritt für Schritt entstehen, wenn wir uns auf einen Diskurs mit Tiefgang, Wohlwollen und Respekt einlassen, der unterschiedliche Sichtweisen berücksichtigt.
Für die Lösungsfindung im Umgang mit der Credit Suisse und deren Umsetzung würden wir eine grosse Task Force mit einzelnen Arbeitsgruppen einsetzen. Diese umfassen die Vertretung der öffentlichen und gesellschaftlichen Interessen, der Nationalbank, der Politik und der Mitarbeitenden genauso, wie die strategischen Interessen der UBS und ihrer Investoren. Diese Task Force umfasst die Fachexpertisen von unabhängigen Persönlichkeiten, die Erfahrung haben mit Sanierungen und Umstrukturierungen, Krisenkommunikation, Wirtschaftsprüfung und vieles andere mehr. Dabei werden Menschen, die sich mit modernem Qualifikationsmanagement, Anreizsystemen und Vergütungsmodellen auskennen, eine ebenso starke Rolle spielen, wie Public Affairs, Reputationsmanagement und Stakeholder Dialogue.
Sicherheit und Perspektive geben
Alsdann würden wir als UBS an die Öffentlichkeit treten und einen klaren Rahmen abstecken: Die Mitarbeitenden der Credit Suisse, die sich seit Jahren für den Erfolg und die Rentabilität von zentralen Unternehmensbereichen einsetzen, dürfen stolz sein auf Ihre Leistungen in der Vergangenheit und in der Zukunft. Diese Mitarbeitenden nämlich, die täglich an der Front die Beziehungen zu ihren Kunden pflegen, um deren Treue und Vertrauen zu stärken und auch jene Mitarbeitenden, die den täglichen Betrieb sicherstellen – von der Reinigungskraft über die Verpflegung bis zu allen, die die Abläufe, Systeme und Instrumente unterhalten und dafür sorgen, dass die Löhne bezahlt werden und die Computer funktionieren – alle Mitarbeitenden, ohne die die Credit Suisse NICHTS wäre, werden auch in Zukunft wieder stolz auf ihre Credit Suisse sein. Das versprechen wir.
Eine GROSS-UBS macht auch für UBS keinen Sinn
Aus Sicht der UBS ist es nämlich klar, dass es nie eine Gross-UBS geben wird, die beide Banken unter einem Dach und Namen vereint. Es macht daher gar keinen Sinn, jetzt damit anzufangen, die Credit Suisse vollständig in die UBS zu intergieren, um kurz darauf wieder Teile der Gesamtbank abzuspalten. Deshalb wird die Credit Suisse weiterleben. Irgendwie. Wir möchten eine gestärkte Credit Suisse wie Phoenix aus der Asche aufgehen sehen. Wir möchten uns wieder mit Respekt und auf Augenhöhe im Markt begegnen und uns im Wettbewerb gegenseitig weiterbringen. So geht freie Marktwirtschaft. Dafür stehen wir ein.
Als UBS wollen und brauchen wir einen soliden Bankenplatz, fairen Wettbewerb und anständige Umgangsformen. Wir werden die Patientin Credit Suisse, die man uns zur Pflege in Obhut gegeben hat, nicht missbrauchen oder ausweiden. Sobald sie gesund ist, wird sie wieder selbständig leben. Und mit ihr alle ihre treuen Mitarbeitenden, die sie für ihre Gesundheit braucht.
Mit offenen Karten spielen
Seien wir ehrlich: Wir kaufen die Credit Suisse für drei Milliarden Franken und wir wollen sie für viel mehr Geld wieder verselbständigen. Davon profitieren die Schweizerinnen und Schweizer, indem wir die Darlehen, die wir für die Heilungskosten der Credit Suisse brauchen, bei der Nationalbank mit Zins und Zinseszins zurückbezahlen.
Und davon werden wir als UBS auch profitieren. Die Task Force erhält den Auftrag, ein Modell zu entwickeln, das aufzeigt, wie wir den Heilungserfolg der Credit Suisse mit allen teilen, die an deren Genesung mitgearbeitet haben. Wir sind uns der Verantwortung im Klaren, dass wir im Falle eines grossen Erfolges, einen Anteil am Gewinn anständig und fair sozialisieren werden.
Gewinne sozialisieren
Der grösste Teil der Gewinn-Sozialisierung wird über die Gewinn-Steuern erfolgen, das ist ausserhalb des Gestaltungsrahmens der Task Force. Was jedoch in unserer Hand liegt, sind weitere Möglichkeiten, die Gesellschaft und Mitarbeitende sowie institutionelle Investoren, die Rentenkapital mit dem Crash der Credit Suisse verloren haben, am zukünftigen Erfolg angemessen zu beteiligen.
Solange die Credit Suisse jedoch bei uns in Pflege ist, werden wir mit Schonkost helfen sie zu heilen. Die Völlerei ist vorbei. Was heisst das konkret? Die Task Force soll ein Lohnsystem entwickeln, das die fleissige und treue Basis der Mitarbeitenden wertschätzt und die Vergütung weiter oben so regelt, dass Menschen, denen ihr eigenes Einkommen wichtiger ist, als das nachhaltig erfolgreiche Überleben der Firma, kein Interesse an einer Zusammenarbeit haben und die Credit Suisse verlassen. Wir wollen die besten Talente für die Firma in den Teams haben, aber nicht um jeden Preis.
Grossverdiener auf Diät setzen
Die «High Risk Taker» sind mehrfach gescheitert, der Preis dafür war weltweit schmerzhaft. Deshalb wird in der Credit Suisse für eine Weile niemand mehr über eine Million Schweizer Franken jährlich verdienen. Niemand – ohne Ausnahme. Wir sind überzeugt, dass diese Lohnsumme ausreicht, um wirklich gute Fachleute und Führungskräfte anzuziehen und dass sie gleichzeitig die teuren Blutegel und andere Schmarotzer fernhält.
Wir möchten das globale Vertrauen in den Bankenplatz Schweiz zurückgewinnen. Davon profitieren auch wir als UBS.
Wasser predigen und Wasser trinken
Was macht das alles mit uns – der UBS? Nun, auch wir sind erschrocken, dass es so weit gekommen ist. Wir schätzen das Vertrauen der Politik, dass wir einen erheblichen Teil zur Lösung beitragen können. Wir hören auch die kritischen Stimmen über Boni und Gier und darüber, dass die Banken nun einen Freifahrtschein hätten, weil der Staat sie ohnehin auffangen würde, egal wie viel Mist wir bauen sollten.
Reife Selbstverantwortung
Diese bedingungslose Liebe mag für Eltern mit ihren Kindern eine gute Grundhaltung sein. Aber wir als Unternehmen mit unseren Führungskräften sind erwachsen und wir wollen uns nicht von einem Staat paternalisieren lassen. Wir empfinden Kontrolle und Regulierungen, die über ein gesundes Mass hinaus gehen, als Misstrauen und Übergriffe gegen unsere Fähigkeit und Aufgabe Selbstverantwortung zu tragen – wir brauchen keine Babysitter. Diese Grenze müssen wir selbstbewusst verhandeln und durch unser Verhalten immer wieder aufzeigen, dass wir korrekt und angemessen mit dem uns anvertrauten Geld und der Verantwortung umgehen.
Wir werden also nicht Wasser predigen und Wein trinken. Auch unser Vergütungssystem kommt wieder unter die Lupe und wir werden intern unsere Anreizsysteme auf den Prüfstand legen. Es besteht in einer solchen Situation nämlich die grosse Gefahr, dass wir bei der UBS, die jetzt gerade gut dasteht, überheblich und übermütig werden und bei uns dann Entwicklungen übersehen, die wir jetzt bei der Credit Suisse kritisieren. Unsere eigene Krise ist noch gar nicht so lange her und wir wissen noch, wie das war. Wir pflegen diese Achtsamkeit für die Schattenseiten und Gefahren unseres Geschäftes bewusst weiter.
Umgang mit Trittbrettfahrern und Blendern
Wo viel Geld und Einfluss ist, da ist die Gefahr gross, dass sich Trittbrettfahrer übervorteilen und Blender für die eigene Tasche wirtschaften. Wir wollen wachsam bleiben, damit wir früh erkennen, wenn mit und in unserem Geschäft Missbrauch betrieben wird. Für Missbrauch gibt es keine Entschuldigung. Jeder muss sich selbst so im Griff haben, dass kein Missbrauch stattfindet. Wird er trotzdem begangen, dann haben wir Null Toleranz. Aus Erfahrungen in verschiedenen Fällen von Wirtschaftskriminalität beginnt der Missbrauch bei den Spesen. Wer die Grenze zwischen privat und geschäftlich nicht sauber zieht, der überschreitet nach und nach immer mehr Grenzen des Anstandes. Das muss man von Anfang an unterbinden.
Je 100 Tage
Wir geben der Task Force und ihren Arbeitsgruppen jeweils 100 Tage Zeit, um den nächsten Konkretisierungsschritt zu entwickeln, zu vergemeinschaften und zu kommunizieren. Es ist ein ergebnisoffener Prozess, der zum Ziel hat, für alle Anspruchsgruppen eine angemessen faire und nachhaltige Lösung zu entwickeln. Wir wollen diese Lösung nicht im stillen Kämmerlein der UBS entwickeln, weil die Abschottung nur das Misstrauen nährt und wir unsere Spitzenkräfte für unser Tagesgeschäft und Strategieumsetzung der UBS brauchen. Wir geben den Prozess der Lösungsfindung auch nicht in die Hand eines BIG-4 Strategieberatungsunternehmens. Wir begehen den Weg als Gestaltungsprozess auf breiter Basis, tief verwurzelt in dem Land, in dem wir gemeinsam gross geworden sind. Denn wir wollen wieder stolz sein auf uns und respektiert werden. Mit diesem Vorgehen geben wir den Nörglern und Zweiflern keine Projektionsfläche. Sie haben alle eine faire Chance, Teil der gemeinsamen Lösung zu sein.
Nur eine Grossbank?
Ja, unser neuer/alter CEO Sergio Ermotti hat mal gesagt, dass eine Grossbank genug ist für die Schweiz. Es kann sein, dass die UBS tatsächlich viel grösser wird und die Credit Suisse verkleinert aus dem Heilungsprozess hervorgeht. Wir werden sehen, was allen Beteiligten nach tiefgründiger Analyse und Abwägung von Szenarien vernünftig erscheint, um das Immunsystem der beiden Marken und Geschäftsmodelle zu stärken. Dazu können wir uns heute nicht verbindlich äussern.
Wir freuen uns, wenn Ihnen dieser Text gefällt und Sie ihn mit anderen teilen – die Quellenangabe ist dabei Ehrensache. Wenn Sie den Text oder Teile daraus für ihre Firmenkommunikation oder in den Medien nutzen wollen, publizieren Sie bitte den Namen der Autorin: Esther-Mirjam de Boer, Brainboards AG. Herzlichen Dank.